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Prohibitionszeit-Games: Der faszinierende Background der „Roaring Twenties“

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Bist du ein Fan von Spielen wie Mafia: Definitive Edition, The sinking City, Empire of Sin oder LA Noire? Dann bist du es wahrscheinlich auch, weil gerade der amerikanische Part jener Epoche, in der die Games spielen, verdammt faszinierend ist. Aber weil bei den Spielen trotz aller historischen Akkuratesse die echte Geschichte oft ein wenig zu kurz kommt, liefern wir dir jetzt den Wissens-Background über diese mehr als spannenden und prägenden gut 13 Jahre der Prohibitionsära.

Prohibitionsära oder 1920er?

Vielleicht hast du schon mitbekommen, wie diese Epoche sowohl Prohibitionsära oder auch nur verallgemeinernd 1920er genannt wird. Ersteres ist dabei die deutlich präzisere Aussage. Denn die 1920er waren zwar der wichtigste Kern der Prohibitionsära, tatsächlich dauerte sie

Ganz strenggenommen sprechen wir von einer Zeit zwischen dem 17. Januar 1920 und dem 5. Dezember 1933. Während dieser Zeit bestand in den USA der sogenannte Volstead Act. Und der war fast im Alleingang Auslöser für alles, was diese Epoche in den USA so spannend machte – und zudem reichlich brutal.

Der Volstead Act – ein Land wird trocken

Im genannten Zeitraum war es im Bereich der gesamten USA verboten, Alkohol mit mehr als 0,5 Volumenprozent zu

  • fabrizieren,
  • transportieren,
  • importieren,
  • kaufen,
  • verkaufen und
  • auszuschenken

– eben die Prohibition. Im Klartext: Alles, was über besagten 0,5 Prozent Alkohol lag, war in den USA illegal. Kein Bier, kein Wein, erst recht kein Schnaps. Die einzige Ausnahme waren Mediziner. Diese durften Alkoholhaltiges in höherer Konzentration verschreiben.

Ein Kernproblem an der Sache: Alles war verboten, außer Alkohol privat zu besitzen und zu konsumieren. Dieses wichtige Detail war eine Grundvoraussetzung, warum diese Epoche in derartige Bahnen geriet.

Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass die letzten Tage vor dem 17.1.1920 eine ziemlich feuchte Party waren, harmlos formuliert. Wir sprechen von landesweiten riesigen Massenbesäufnissen und Hamsterkäufen – buchstäblich „als wenn es morgen verboten würde“.

Nur: Warum machten die USA das? Die Gründe dafür liegen rund 40 Jahre vor dem Beginn der Prohibition, die in den finalen Jahren davor gipfelten: Im „Wilden Westen“ und der Industrialisierung hatte Alkohol immer wieder für zahlreiche Probleme gesorgt, weil viele damals praktisch als Zeitvertreib tranken und viele Wirte und Händler das kräftig befeuerten. Dementsprechend bildeten sich verschiedene Gruppen, die für Verbote eintraten – und es in einigen Städten, Landkreisen und Bundesstaaten sogar schon vor der Prohibition schafften.

Hier spielte Religion eine wichtige Rolle, zudem aufkeimende Frauenrechte. Man brachte Alkohol mit verschiedenen Übeln der Zeitgeschichte in Verbindung; einige sahen in ihm sogar die Wurzel aller Probleme. Da derartige Gruppen ab zirka 1900 immer mehr Macht bekamen, musste Washington irgendwann handeln. Das gipfelte im Volstead Act, der ein Jahr vor seinem Inkrafttreten von 36 der damals 48 US-Bundesstaaten ratifiziert wurde, wodurch er automatisch für die gesamte USA Gültigkeit bekam.

Eine Menge wütender Amerikaner

Die Prohibition wird auch als „Das ehrenhafte Experiment“ bezeichnet. Ehrenhaft war der Denkansatz mit Sicherheit. Aber du kannst dir denken, dass sicher nicht jeder begeistert war:

  • Zunächst einmal viele Amerikaner per se, weil sie dies als absolut zu weit gehenden Eingriff der Regierung in private Belange ansahen – gerade in einem so freiheitsliebenden Land.
  • Eine ganze Reihe junger Männer, die gerade erst aus dem Ersten Weltkrieg in Europa heimgekehrt Dadurch waren viele von ihnen traumatisiert, gewaltbereit und gar nicht gut auf Befehle und Befehlende zu sprechen. Außerdem waren viele arbeitslos.
  • Zigtausende Menschen, die durch die Prohibition um ihre Existenz gebracht wurden: Bierbrauer, Weinbergbesitzer, Kneipiers und viele andere.

Mit dem Beginn der Prohibition bildete sich also ein ziemlicher Zündstoff im Volk. Außerdem wurden gesellschaftliche Gräben aufgerissen und vertieft.

Fun Fact: Die Prohibition war übrigens dafür verantwortlich, dass die USA bis noch in dieses Jahrtausend von einigen wenigen Brauerei-Giganten dominiert wurden. Erst in jüngster Vergangenheit bildeten sich wieder verstärkt kleinere Brauereien und konnten wirtschaftlich überleben.

Die Zutat des Scheiterns: Mangel an Gesetzeshütern

Gesetzeshüter

In den USA hatten und haben die Bundesstaaten erhebliche Eigenständigkeit gegenüber dem Bund. Dementsprechend war Polizeiarbeit noch zu Beginn der Prohibition weitgehend in bundesstaatlicher Kompetenz.

Natürlich biss sich das mit dem Alkoholverbot als Bundesgesetz. Beispielsweise konnte jemand, der in Pennsylvania Alkohol verkaufte, dafür nicht in Kentucky festgenommen und angeklagt werden.

Zwar wurde mit Prohibitionsbeginn das Bureau of Prohibition als bundesstaatliche Polizeibehörde gegründet, aber

  • es gab zunächst nur 1.500 Beamte, selbst später wurden sie nur auf 2.300 aufgestockt. Viel zu wenig, um ohne die Hilfe der oft unwilligen und bestechlichen örtlichen Polizeibehörden landesweit zu agieren.
  • die Beamten waren ziemlich schlecht bezahlt. Dadurch waren sie unheimlich anfällig für Korruption und wurden deshalb rasch Teil des Problems. Einer von zwölf Prohibitionsbeamten wurde deswegen angeklagt.

Natürlich gab es immer wieder spektakuläre Aktionen gegen illegalen Alkohol. In der Praxis waren die Beamten sowie viele Richter und Staatsanwälte jedoch rettungslos überfordert und außerdem neben der Bestechlichkeit oft genug parteiisch: Reiche Menschen wurden in den seltensten Fällen selbst für ganze Weinkeller angeklagt, wohingegen ärmere Leute manchmal schon für gärenden Fruchtsaft vor einem Richter landeten.

True Crime: Das Gesetz fördert Verbrecher

Wir haben ein Gesetz mit ehrenwertem Hintergrund voller Lücken, eine völlig unzureichende Polizei und eine Menge Leute, die mit dem Gesetz ganz und gar nicht einverstanden sind und die deshalb wenig Gründe haben, es zu beachten. Damit hatte die US-Regierung sich quasi selbst das Fundament gegossen, um die Prohibitionsära zu einer Zeit der Kriminalität zu machen.

Zunächst fing die Sache harmlos an: Ärzte verschrieben US-weit in den ersten Prohibitionsmonaten zehntausende Liter „medizinischen Whiskey“. Und jeder, der einen Garten hatte oder sich auf die Technik verstand, fabrizierte Wein, braute Bier oder baute sich eine Schnapsdestille.

Hatte der Volstead Act zunächst tatsächlich die Zahl alkoholbedingter Krankheiten in den Keller gedrückt, sprangen deshalb nun solche in die Höhe, die aus dem Konsum von gepanschtem oder minderwertigem Alkohol entstanden. Etwa die gefürchtete Methanolvergiftung.

Doch schon ab zirka 1921 wurde die Sache größer – viel größer. Denn das Land hatte einen auf legalem Weg unstillbaren Durst. Das rief einen wahrhaft gigantischen Schwarzmarkt auf den Plan.

Die amerikanische Mafia etwa, zuvor eine eher kleine, lokale Organisation, sah ihre Chance. Sie schmuggelte Alkohol aus anderen Ländern, betrieb illegale, aber hochprofessionelle Fabriken – und wurde darüber nicht nur riesengroß und mächtig, sondern geriet in Streitigkeiten mit anderen Elementen des organisierten Verbrechens. Über die ganze Prohibitionsära stieg dadurch die Mordrate in den USA um über 40 Prozent an.

Es entstanden illegale Bars, sogenannte Speakeasies (weil man darin flüstern musste, damit es nach außen nicht nach Partybetrieb klang). Darin wurde nicht nur Alkohol ausgeschenkt, sondern obendrein Glücksspiel betrieben – wo beides illegal war, konnte man auch gleich beides kombinieren.

Eine der schillerndsten Personen der damaligen Zeit und aller Spielernaturen war Al Capone. Der Weltkriegsteilnehmer und vorherige Kleinkriminelle kam auf Einladung des Mafiabosses Johnny Torrio nach Chicago – wo Torrio die örtliche Mafia mit Alkoholschmuggel erst zu enormer Macht brachte und sie ab 1925 an Capone übergab.

Tipp: Falls du das Thema spannend findest, sei dir eine mehrteilige ZDF-Doku über die Chicagoer Mafia ans Herz gelegt. Sie ist über die Mediathek kostenlos anschaubar.

Überall in den USA geschah ähnliches: Zuvor kleine Gangs wurden praktisch über Nacht durch die Bereitstellung von illegalem Alkohol steinreich und unsagbar mächtig. So mächtig, dass sie nicht nur eine ernsthafte Bedrohung für den US-Rechtsstaat als solchen wurden, sondern obendrein politische Macht erlangten; im Zweifelsfall erneut durch Schmiergeldzahlungen.

Kriminalität, Depression und das Ende

Gangster mit Zigarette

Aus heutiger Sicht lässt sich ziemlich eindeutig feststellen, dass die USA mit der Prohibition nicht bloß die selbstgesteckten Ziele nicht erreichten, sondern das Gegenteil bewirkten.

  • Zu keinem Zeitpunkt konnte irgendwo der Fluss von Alkohol auch nur ansatzweise gestoppt werden. Wer einen trinken wollte, der konnte das praktisch überall jederzeit tun – wenngleich zu deutlich höheren Preisen als vor dem Volstead Act.
  • Die allgemeine Kriminalität explodierte geradezu. Allein zwischen 1920 und 1921 stieg sie um fast 25 Prozent an. Über die gesamten 13 Jahre verdoppelte sich sogar die Trunkenheit am Steuer – obwohl sich die Zahl der Autos nicht verdoppelt hatte.
  • In den USA bildete sich die größte und professionellste organisierte Kriminalität der Welt. Zudem waren ihre neugeschaffenen Strukturen unabhängig vom Produkt. Das rächte sich, als die Prohibition abgeschafft wurde. Denn die Gangster schalteten einfach auf Drogenhandel um, womit ein neues Problem entstand.

Das alles war für sich schon problematisch genug. Hinzu kam jedoch ein immer weiter um sich greifendes Erodieren der Akzeptanz. Selbst damalige US-Präsidenten hielten sich einen Privatvorrat. Ab den späten 1920ern wuchs immer stärker die Einsicht, wonach ein weiteres Festhalten am Volstead Act irrational wäre.

Was aber letztlich den Ausschlag gab, waren die USA als Staat selbst: Im Zuge des Börsen-Crashs von 1929 glitt das Land in die sogenannte Große Depression. In der Folge sanken unter anderem die Steuereinnahmen dramatisch und der Staat hatte kein Geld, um die massiven wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise zu bändigen.

War zuvor der Verlust von Alkoholsteuern und anderen, damit verbundenen Steuern nur schmerzhaft gewesen, wurde er nun untragbar. Am 22. März 1933 wurde deshalb der Verkauf von Bier bis 3,2 Volumenprozent zudem der von Wein erlaubt. Am 5. Dezember schließlich endete die landesweite Prohibition. Man gestattete es den Bundesstaaten, eigene Gesetze zu erlassen. Das führte zu einer bis heute andauernden Situation, in der in vielen Landkreisen nach wie vor kein Alkohol verkauft (aber eingeführt und genossen) werden kann.

Genützt hat es aber auf jeden Fall: In den ersten Depressionsjahren stellten alkoholbezogene Steuern fast die Hälfe des US-Staatshaushalts und halfen dem Land, die Krise zu überwinden.

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